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Dezember

2. Dezember

Es ist wieder eine Party angesagt. Die letzten Male waren Katha und ich immer in Jeans und Turnschuhen umhergehuscht, diesmal soll das anders sein. Wir werfen uns in Kleid und Rock, so gesehen gehen wir in der persischen Mädchen-Auftakel-Kultur richtig auf. Für die 100 Meter zu Kamis Wohnung gibt uns Pooyan einen Ride und schon stehen wir - uns nacktfühlend - auf der Straße und im Aufzug. Unsere Köpfe sind mit iranischen Kleidungsempfindung bereits so ausgefüllt...
Oben angekommen, trifft uns die volle Ironie in Form von Jeans. Alle anwesenden Mädchen sind leger gekleidet, nur wir erscheinen auf der Party wie der Pfau in höchster Balzzeit. Naja, der Spieß wurde eben mal umgedreht. Langsam macht sich aber in mir das Gefühl breit, dass es mein Schicksal ist, im Iran aufzufallen. Als gäbe es einen Gott, Allah, Jahve oder Ganesh, der sich einen Spaß daraus macht, mich in alle Fettnäpfchen tappen zu sehen. Der sich dort oben auf seiner Chaiselonge Datteln in den Mund stopft und, wie ein 13-jähriger Teenie sich die Hoch und Tiefs der GZSZ-Darsteller ansieht, meine Slalomfahrt durch die Stolperfallen, Sitten und Schwierigkeiten Persiens verfolgt. Kann man nicht irgendwo eine zeitweise Suspendierung aller vorhandenen Götter beantragen?

6. Dezember

Um alle Kinder zu enttäuschen, die noch an Weihnachtsgeschichten glauben, der Nikolaus hat es in diesem Jahr nicht zu mir nach Teheran geschafft. Und wenn sein Schlitten nicht mal die 4000 km bis hier überbrückt, wie soll Santa Claus dann die ganze Welt mit Geschenken versorgen? Keine Rügen, kein Lob. Also alles Bemühen zu besserem Benehmen ist unnütz, Kinder. Tanzt euren Eltern auf den Nasen rum so viel es euch beliebt, Knecht Rupprecht ist nur ein verkleideter Uli Hoeneß.
Für etwaige eventuelle Unannehmlichkeiten haben wir uns trotzdem vorsichtshalber mal Gäste eingeladen. Zwanzig an der Zahl, Freunde und Unileute, Iraner, Russen, Ukrainer, Assyrer, Tschechen und Amerikaner. Die Geschichte vom Nikolaus hat uns alle zusammengebracht. Oder, wenn Eigenlob nicht stinkt, die köstlichen Semmelknödel in Rahmschwammerlsoß’. Egal auf welchem Kontinent der kleine Prinz gelandet wäre, hätte er mein bayerisches Lieblingsgericht dabei gehabt, er hätte alle Planetenbewohner sofort auf seiner Seite gehabt. Genauso wie wir hier auf unserem kleinen Planeten Teheran. Meatballs without meat with mushrooms katapulieren Katha und mich mit tüchtiger Unterstützung von selbstgebackene Weihnachtsplätzchen zu everybodies darlings. So sehr, dass sich Mas sogar zu folgendem SMS-Text hinreißen lässt: We say in Iran when women knows how to cook it’s a sign for her to get married.

12. Dezember

Es ist mal wieder spät geworden und ich kann nicht wirklich lang schlafen, obwohl wir Wochenende haben. Dazu kommt noch meine Haare sind superlang, der Schnitt ist raus; sprich meine Laune hat sich den derzeit in Deutschland herrschenden Temperaturen angepasst. Das soll sich ändern und deshalb ruf ich mal in einem mir empfohlenenen Beautysalon an.
Zwei Stunden später irre ich in der Gegend umher, bis ein Saftverkäufer, den ich nach der Straße gefragt habe, die Friseuse anruft und mir daraufhin ein Sicherheitsmann den Weg weist. Zum Abschied schenkt der mir noch eine Orange und ich husche in das 10-stöckige Appartmenthaus. Der Beautysalon befindet sich in Nummer 39 und als sich die Tür öffnet, fällt mein Blick in einen ca. 40 qm großen Raum, in dem zahlreiche Frauen umherschwirren und andere Lockenwickler mit Lockenwicklern auf dem Kopf Zeitschriften lesen. Natürlich alles ohne Manteau und Kopftuch. Denn hier haben Männer keinen Zutritt. Dementsprechend viel wird hier auch getratscht und gekichert. Die Friseuse Mariyam, die auch Englisch spricht, drückt mir eine Frisuren-Zeitschrift in die Hand, aus der ich mir einen Schnitt aussuchen soll. Eine Freundin aus der Uni hatte mich bereits gewarnt, dass die Fertigkeiten der iranischen Schnittmacher nicht so besonders seien; vielmehr können sie nur grade schneiden, also keine komplizierteren Schnitte verwirklichen. Nun gut, ich kann mich mit Maryam ganz gut auf eine Version einigen und wandere kurze Zeit später mit einer Assistentin zum Waschtisch. Allein der ist schon anders, als wir ihn kennen, denn hier liegt man in horizontaler Position auf einer Massagetisch ähnlichen Liege und erfährt auch keine liebevolle Kopfmassage. Ach wie vermisse ich in diesem Moment meinen Liebling David von Toni&Guy...

Das iranische Schneidewerkzeug besteht aus einer Schere, einem Kamm, zwei Klippern und einem Kamm, der teilweise mit kleinen Klingen ausgestattet ist. Auch die Technik des Schneidens sind nicht wirklich ausgefeilt, kein Undercut, Ausdünnen oder mit Rasierklinge veredeln. Doch meine Erwartungen hatte ich im Vorfeld schon sehr runtergeschraubt und so bin ich dann doch etwas erstaunt, als nach 20 Minuten mein Schnitt ganz passabel daherkommt. Zwar wurden die Haare sehr in Mitleidenschaft gezogen (ein Fön ließ meine Kopfhaut wie die eines Hendls knusprig brutzeln), aber im Iran gilt eben mehr als in den meisten Ländern: Wer schön sein will, muss leiden...

13. Dezember

Es ist Freitagabend, morgen ist also Wochenbeginn und wir sind auf eine Party eingeladen. Also eigentlich nicht wir, sondern Mas; denn seine Ex-Freundin feiert Geburtstag. Wir hatten noch am Nachmittag eine große Lilie mit Gladiole gekauft und sitzen nun im Auto auf dem Weg nach Farmanieh, im teuren Norden. Die Jungs (Mas Freund Rod ist auch dabei) erteilen uns eine Persischstunde der bad words. Wir müssen uns ja auch mal wehren können, wenn uns jemand doch kommt.

Vor dem Appartmenthaus brechen wir erstmal in Lachen aus, weil die Situation so absurd ist. Mas hatte uns zuvor aufgeklärt, dass die Gastgeberin Lilly übrigens sein "evil girlfriend" sei. Sie hätte hinter seinem Rücken schlechtes über ihn gesagt und sie hätten deshalb seit fünf Jahren keinen Kontakt mehr gehabt. Und wir stehen da mit unserem extra-schönen Blumenstrauß und fürchten, dass uns gleich krähenähnlich die Augen ausgekratzt werden. Zumindest sind wir nicht unbeschützt, denn mit uns fahren noch drei andere, die auch auf die Party gehen im Aufzug mit in den 10 Stock. Die Wohnung ist riesig und man sieht sofort, dass es sich hier mal wieder um die teheraner Oberschicht handelt. Über ungefähr 250 qm sieht man nur schickes und teures Innendesign. Der Eingang begrüßt einem mit einem runden Tisch in der Mitte, auf dem allerlei Alkoholia plus Beigetränke bereitstehen. Mein Blick wandert nach links und trifft auf ein DJ, der den Raum mit westlicher House-Musik beschallt. Manche tanzen bereits, doch erst kurze Zeit später ist es wirklich voll. Wir fallen natürlich auch diesmal wieder auf, zum einen, da wir die einzigen Ausländer sind, zum anderen, da unser Tanzstil sich eben vom hiesigen unterscheidet. Aber es ist ein Riesenspaß, wirklich eine der besten Parties seit langem. Die folgenden Ergeignisse im Kurz-Ticker: Katharina wird auf 17 Jahre geschätzt/Mich spricht ein 20-Jähriger an, der ganz schrecklich tanzt/ Wir überlegen kurzzeitig, das Gerücht zu verbreiten, wir seien lesbisch/Gegen Ende der Party kommt die Polizei, wird aber mit Geld geregelt.

14. Dezember

Nach dem Unterricht setzen wir uns noch kurz zu einem kleinen Kaffetratsch zusammen, vier Mädels und ein Junge. Inga, die mit einem Iraner (aber einem sehr westlichen, der mehr im Ausland gelebt hat als im Iran) verheiratet ist, macht heute einen traurigen Eindruck. Die vielen schrecklichen Geschichten, die man immer wieder hört, machen ihr zu schaffen. Sie erzählt, ein bisschen den Tränen nahe, eine Geschichte, die sich vor 2 oder 3 Jahren ereignet hatte.

Superstar ist hier in Teheran eine große Fastfoodkette, die man über die ganze Stadt verteilt findet. In einer der Filialen auf der Vali Asr. arbeitete mal ein 17-jähriger iranischer Junge, der bei der Arbeit eine 13-Jährige kennenlernte. Sie trafen sich ab und zu und hatten in der Folge auch Sex. Als die Mutter des Mädchens das erfuhr, rief sie sofort die Polizei. Der 17-Jährige wurde zum Tode verurteilt und damit sich auch jeder, den Konsequenzen solchen Handelns bewusst ist, vor seinem ehemaligen Arbeitsplatz, der Superstar-Filiale, erhängt. Mehrere Wochen überließ man den Leichnam dort als Zeichen des aufmerksamen Auges des islamischen Gesetzes den Blicken der Passanten. Nur so konnte auch die "Ehre" des Mädchens wiederhergestellt werden, indem man den Jungen als Vergewaltiger stigmatisierte.
In diesem Land werden Mädchen mit neun Jahren von Gesetzeswegen geschlechtsreif und somit auch heiratsfähig, Jungen mit 15. Tun sie aber Dinge, die für geschlechtsreife Lebewesen üblich sind, ohne die Legitimation der Heirat zu haben, fällt das Beil der Sharia mit voller Wucht auf sie nieder...

16. Dezember

Der erste Schnee in Teheran und ich freu mich Pfannkuchen backend wie ein kleines Kind. Eigentlich wollten wir aus dem eisig kalten Teheran an den Persischen Golf fliehen und unsere Herzen dort ein bisschen aufwärmen. Unsere Spontaneität trifft nun aber auf geballte iranische Reiselust, denn am Mittwoch mal wieder einer der gefühlten tausend Feiertage. So sind alle Hotels ausgebucht und Makhsud (Mas) und Rodmehr (Rod) schleppen uns jetzt mit in die Villa von Mas Familie am Kaspischen Meer. Rods kleine weiße Rennsemmel schlängelt sich von Teheran aus gen Norden durch das mich immer wieder beeindruckende Alborz-Gebirge. Steinige, trockene Bergzüge werden abgelöst von schneebedeckten Gipfeln. Überall Weite und Höhe. Wir schwimmen dahin bis ein langsamer LKW unserem Drang nach vorne ein Ende setzt. Wie alle Iraner überholen wir, auch wenn an dieser Stelle eigentlich verboten. Und siehe da. An der nächsten Ecke steht die netten Herren von der Polizei und winken uns auch bereits raus. 30.000 Tuman (30$) soll der Strafzettel kosten und dazu müssten wir das Auto abstellen und wieder zurück nach Teheran. Aber eine Tatsache, die auch für ein besseres Entwicklungsland wie den Iran gilt, hilft uns aus der Patsche. Man kann noch alles mit Geld regeln. Rod zahlt dem Polizisten direkt 25.000 Tuman und die Fahrt kann weiter gehen. Wenn es einen selber betrifft, ist Korruptheit der Staatsdiener manchmal ein Aspekt, den man doch nicht so harsch verurteilt.

17. Dezember

Diese Woche scheint ein Besichtigung der Exekutive am Arbeitsplatz zu sein. Erst die Party, gefolgt vom Strafzettel gestern auf dem Weg nach Dariyakenar und nun ist es 1.10 Uhr und wir befinden uns im Hauptquartier der Polizei von Rasht. Wie wir hierher gelangt sind, ist eine längere Geschichte. Alles begann damit, dass wir uns heute Mittag on the road begeben haben mit dem Ziel Rasht, Fuman und Masuleh. Gestern abend hatten wir noch lange über Allah und die Welt gesprochen und sind dementsprechend spät gestartet. Die letzten Tage waren saukalt und der Himmel wurde von dunklen Schneewolken beherrscht. Kurz vor Rasht gelangen wir in einen regelrechten Schneesturm und da es mittlerweile schon früher Abend ist, wird die Möglichkeit, dass wir nicht bis Masuleh weiterfahren, sondern in Rasht bleiben, in Betracht gezogen. Mas Kommentar „Let’s see what happens“ soll sich noch als Prophezeiung herausstellen. Angekommen geht’s erst mal die Bäuche füllen und diskutieren. Mas plädiert von Anfang an dafür, sich hier ein Hotelzimmer zu nehmen und sein Argument wird durch die Ansage eines Hotelangestellten unterstützt, der meint, die Straße nach Masuleh sei auf Grund des vielen Schnees gesperrt. Wir geben auf, aber bevor wir uns vier Betten für die Nacht suchen, braucht jeder erst mal einen Kaffee. Gegen halb elf machen wir uns auf zur uns am besten erscheinenden Budget-Option, die der Lonely Planet hergibt. Das Hostel „Mehmunpazir“ (wörtlich: Gästeaufnehmer) macht nicht mehr als das und wir scheitern schon hier. Der unfreundliche Rezeptionist will erst mal nur uns ein Zimmer geben, die Jungs müssten in ein anderes Hotel gehen. Als wir dann unsere schönen Passkopien zücken (die Originale liegen mal wieder im Foreign Office zur Visaverlängerung) vernichten eine Handbewegung unsere Hoffnung auf Schlaf. So gehe das nicht, entweder wir gehen in ein teureres Hotel, wo sie uns auch ohne Reisepass aufnehmen oder holen uns einen Wisch bei der Polizei, der uns hier legalisiert. Wir wollen im Iran so wenig Kontakt wie möglich mit der Staatsmacht haben, deshalb soll’s erst mal zum teureren Hotel gehen. Wir erfragen den Weg bei einem Straßenpolizisten, der uns eröffnet, auch dort würden sie uns ohne Reisepass nicht aufnehmen. Also ab zur Polizei, die sich eh am selben Platz befindet. Der kleine Herr am Empfangsschreibtisch spricht nur Persisch und Mas und Rod erklären im die Situation. Natürlich etwas abgewandelt, denn eigentlich dürften wir ja nicht zusammen unterwegs sein. Also: Wir sind mit’m Taxi von Teheran nach Rasht und haben die beiden auf der Straße getroffen. Weil unser Persisch so schlecht sei, ihr Englisch so gut, hätten sie uns geholfen. Die ganze Prozedur dauert und immer wieder fährt der kleine Polizeiangestellte mit dem wackeligen Fahrstuhl hoch in die Büroräume. Mas und Rod gehen kurz vor die Tür und.... kehren nicht mehr zurück. Nach einer Weile stößt ein Polizist in Uniform zu uns und stellt uns allerlei Fragen. Immer wieder kommt er auf die beiden Jungs zu sprechen, die immer noch verschwunden sind. „Verhörsprache“ ist Persisch und wenn uns Fragen zu brenzlig werden, geben wir vor sie nicht verstanden zu haben. Die ganze Situation ist so skurril und der Höhepunkt steht uns noch bevor. Mal wieder erreicht die Unterhaltung das Thema „wir sind alle Arier“. Doch plötzlich fragt uns der hochgewachsene, bärtige Polizist, ob wir dies in Deutschland immer noch machen würden und vollführt....den Hitlergruß. Katharina und ich vermeiden es uns gegenseitig anzuschauen; die Gefahr, laut loszuprusten wäre zu groß. Das alles kann doch gar nicht wahr sein.
Rod und Mas sind wie vom Erdboden verschluckt und wir trauen uns auch nicht, sie anzurufen oder eine SMS zu schicken, denn wer weiß, wo sie sich befinden und wer bei ihnen ist. Die beiden Polizisten sind mittlerweile etwas freundlicher und organisieren uns ein Hotelzimmer und ein Taxi, das uns dort hinbringt. Ich hätte nicht mehr dran geglaubt, dass wir das Polizeigebäude noch mal verlassen und doch es passiert. Doch unsere Kopien und Studentenausweise müssen wir hier lassen und am nächsten Morgen wieder abholen. Mittlerweile erreicht mich auch eine SMS von Mas: Wir sollen alle Videos und Fotos der letzten Tage vernichten. Unsere Geschichten gleichen wir noch zusätzlich ab, damit bei einer eventuellen Befragung keine Ungereimtheiten entstehen können. Es ist alles so unwirklich, dass ich mich erst mal mit 100 Sit-ups wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen muss.

18. Dezember

Zwei Stunden sitzen wir an diesem Morgen bereits im Vorzimmer des „Head of Police Departments“, werden durch die Angestellten mit Schokolade und Bonbons und durch eine Nachfahrin des Imams mit Geld beschenkt. Endlich schafft es auch der Mann hierher, auf den wir warten. Auf Persisch erhalten wir eine 20-minütige Belehrung, dass Reisen ohne Reisepass und das allein als Mädchen hier nicht gehe. Es gebe doch so viele schlechte Männer, bla bla bla. Wir kennen diesen Text bereits auswendig. Er ruft im Foreign Office in Teheran an, erkundigt sich nach unseren Visa und erzählt im gleichen Atemzug dem Angestellten eine Geschichte, wie sein Sohn das letzte Mal in Teheran war. Alles in allem wird hier viel Wirbel um nichts gemacht. Unsere Papiere werden noch kopiert und mit dem Hinweis, wir sollen zurück nach Teheran fahren, entlässt uns der Head of Police Department.

Doch Mas, der einen leichten Hang zu Paranoidität hat (man könnte auch sagen, sehr, sehr vorsichtig ist), weist uns an, aufzupassen, dass uns keiner folgt. Wir machen per Handy als Treffpunkt das Cafe von gestern aus und hüpfen mit all unserem Gepäck so schnell wie möglich in ein Taxi. Der Fahrer schlängelt sich in guter Agentenmanier durch kleine Gassen zum Ziel, unsere Blicke bleiben immer nach hinten gerichtet. Man muss ja sicher gehen, dass kein anderes Fahrzeug folgt. Wir fühlen uns wie zwei Engel für Charlie und gehen auf in der ungewohnten Aufregung. Auch als die beiden Jungs im Cafe ankommen, ist die Stimmung noch angespannt. Erst als wir Rasht hinter uns lassen, atmen wir wieder auf. Die Reise kann weiter gehen...    

23. Dezember

4.57 Uhr: Ich schließe Nanu in die Arme...

24. Dezember

Heute Abend ist unsere Party, es fühlt sich mehr als Party an, denn als Weihnachten. Unser Alkohol ist leer, deshalb hat Pooyan für uns beim Alkohol-Dealer angerufen, der nun gegen halb zwei liefern soll. Als ich die Tür aufmache, lächelt mich ein armenisches Ehepaar mittleren Alters an und wirft mir ein „Happy Christmas“ entgegen. Sie sind soooo süß. So kann ich auch nicht anders als den beiden noch ein Päckchen unser leckeren selbstgebackenen Plätzchen mitzugeben. Irgendwie hatte ich mir die Leute, die hier illegalerweise 4-Liter-Kanister Alkohol für 30.000 Tuman verkaufen, auch anders vorgestellt. 
 
29. Dezember

Ich bin schon länger nicht mehr von der Uni aus die zirka 25-minütige Strecke bis zum Meidan Qods (Platz Jerusalems) gelaufen. Auf der Hälfte des Weges liegt der Knotenpunkt Nordteherans, der Meidan Tajrish. Es ist kalt, die Hände in die Taschen gegraben wuseln Katha und ich uns durch den abendlichen Betrieb. Ein bisschen Weihnachtsstimmung findet sich sogar in der staubigen Teheraner Luft. Es scheint aber auch, als würde das anrückende Ende des westlichen Kalenderjahrs Auswirkungen auf die Köpfe der iranischen Männer zu haben. Oder gelten hier verfrorene Gesichter und rote Nasen als sexy? Jeden Meter hören wir das uns bereits verhasste „khareji“, also Ausländer. Es wird uns entgegengeworfen als sein wir eine vom aussterbende bedrohte Spezies, die üblicherweise nur in schummrig herzlichen Etablissements anzutreffen sei. Nun gut, wir sind akklimatisiert und gehen unseren Weg begleitet von der Kälte und der Musik der Umgarnierungen (das wäre doch eine Wortneuschöpfung). Doch plötzlich lässt uns eine Gruppe Jungs aus dem Fluss aufschrecken. Deren Spruch zeugt davon, wie bei der Jugend Traditionen verblassen und westliche Werte und Güter eine Popularität wie Woodstock-Konzerte bei den Hippies genießen. „Made in America“, das ist der Stempel, der uns verpasst wird und unseren Reiz ausmacht. Gerufen durch die kalte Luft der anti-amerikanischen Islamischen Republik Iran. Stellt sich die Frage, ob es auch mal eine Zeit gab, als die Titulierung „Made in Germany“ die Bewunderung für eine Frau ausdrückte. Ja ja, sogar hier im Orient zeigt sich der von unser aller Darling angekündigte Niedergang des good old Europe.

31. Dezember

Der letzte Tag des kapitalistischen Kalenders und wir wissen noch nicht wie wir dieses Kapitel beenden sollen. Zwar gibt es eine Party im Norden, aber wir sind zu viele Leute, als dass wir dort einfach alle einlaufen könnten. Plan B ist, wir nehmen uns unsere engsten Freunde, ein paar Decken und einen Grill und machen uns Kebab auf dem Dach unseres Hauses unterm Sternenhimmel. Ganz deutsch schreite ich aber erst mal zu unserem zahnlosen und gehörnten Vermieter, um ihn um die Erlaubnis für unser Vorhaben zu bitten. Der winkt gleich ab. Das Dach sei mit einem Benzingemisch verputzt, das sofort Feuer fangen würde und das Haus in einen Scheiterhaufen verwandeln würde. Ähnlich dieser Schilderung verpufft nun auch mein Optimismus. Keine Party, Restaurants haben nur bis 23 Uhr offen, o.k. und was nun? Selbst der Vermieter weiß keine Alternative. Dafür schwenkt er auf ein ganz anderes, äußert interessantes Thema um. Unsere netten und überaus gut betuchten Nachbarn von gegenüber, Aram und Darja, haben sich in die Rolle der Heiratsvermittler versetzt. Sie finden, dass ich als höfliche und gut ausgebildete Europäerin keine schlechte Partie für einen 29-jährigen Doktor aus ihrer Familie darstellen würde. Nun gut, unser Vermieter meint, Aram sei mehr als begeistert von mir und außerdem sei es ja auch für mich eine außerordentlich lohende Angelegenheit. Jederzeit wäre es mir möglich, in den Iran zu reisen, die Einheirat würde mich zu einer reichen Frau machen, der viele Türen offen stünden. Es scheint, er bemerkt wie ich zögere und mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen kann. Auch wenn ich weiß, dass das alles nett gemeint ist, ich muss ihm entgegenstemmen, dass es doch vorzuziehen sei, aus Liebe zu heiraten. So unökonomisch, aber doch romantisch der Gedanke auch sei. Unser Vermieter versucht es noch mal. Wenigstens anschauen könnte ich ihn mir ja mal. Übernächste Woche gebe Aram eine Party, auf der die erste gegenseitige Vorstellung geplant sei. Das Abenteuer kann kommen !

Silvester
Wie Weihnachten: es fühlt sich nicht echt an, einfach nur wie eine Party bei uns zu Hause mit all unseren Freunden. Sozusagen eine iranische Fälschung. Nichts Ungewöhnliches hier. Alles ist fake, aber bringt trotzdem seinen Spaß und eigenen Stil mit. Kleine Überraschung: Es regnet die ganze Nacht über und zu späterer Stunde auch in mein Zimmer. Iranische Bauqualität eben.



 




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