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Januar

4. Januar

Unser beider letzter Monat bricht an und so stehen auch schon kleine Reisevorbereitungen an. Katha möchte doch mal wissen, wie sie den Irak umfahren kann, um im Endziel Amman anzukommen und ich schwanke noch immer zwischen drei Tagen Busfahren oder Zug. Ein Freund von uns, Anoil, ruft mal im Busterminal West an, um sich für uns nach den Routen und Fahrzeiten zu erkundigen. Zur Erinnerung: am Montag vor einer Woche hat der Monat Muharram begonnen, der islamische Trauermonat. In dieser Zeit ist es nicht erlaubt zu feiern, Musik zu spielen oder zu Tanzen. Darüber hinaus fällt Ashura, eines der heiligsten Feste der Shiiten, dieses Jahr auf den 6. und 7. Januar. Ja, man kann’s kaum glauben, Christen und Muslime haben mal was gemeinsam, wenn sich auch die Stimmung der beiden Feiertage wie Feuer und Wasser verhält. Denn an Ashura wird getrauert. Warum, das erklär ich am Dienstag. Es sei jedoch so viel gesagt, wenn Menschen im Mittleren Osten trauern, dann tun sie dies mit voller emotionaler Stärke. Keine halben Sachen werden hier gemacht. Und so sind die Bilder, die von Ashura über die Fernseher flackern auch geprägt von Wehklagen und sich selbst geißelnden Männern. Nun gut, die Menschen bereiten sich derzeit bereits auf den höchsten Trauerfeiertag vor und ziehen abends in kleinen Grüppchen durch die Straßen.

Aber zurück zum Bus; Anoil wollte ja eigentlich nur die generellen Informationen erfragen. Doch plötzlich beginnt er, der Christ, zu schmunzeln. O-Ton des Mitarbeiters des Busterminals: „Derzeit kann ich keine genauen Auskünfte geben, weil es keine Busfahrer gibt. Die sind alle nach ... gefahren, um sich selbst zu geißeln.“ Auch nach drei Monaten: „Willkommen im Iran“.

5. Januar

Es ist der Abend bevor das eigentliche Ashura-Fest beginnt und ein Cousin von Nanu holt uns ab, um uns mit in den düsteren Teheraner Süden mitzunehmen. Ich genieße diese Ausflüge in die traditionelle Welt Irans immer wieder. Manchmal wird man des eher reichen, hochnäsigen Bruders nahe der Berge doch ein wenig überdrüssig. Nachdem Aria gestern aus München gekommen ist und auch noch der tschechische Zdenek unser Begleiter ist, sind wir mal wieder eine Gruppe mit Migrationshintergrund.

Nezamabad besteht zumeist aus dunklen, engen Gassen, die sich um Häuser schlängeln, deren Bauherren sich um Ordnung nicht geschert haben. Genau in diesem Gewirr fühle ich mich wohl. Und es wird nur verworrener. Von allen Seiten schallen die Stimmen der Trauersänger, die den Herzschlag der Umzüge vorgeben. Sie wehklagen den Tod des Imams Hossain, Sohn des Mannes, der die Spaltung des Islam in Shia und Sunna verursachte: Ali. In der Schlacht von Kerbala am 10. Muharram des Jahres 680 starben Hossain sowie seine 72 Gefährten (darunter auch die meisten seiner männlichen Verwandten). Berichten zufolge standen sie einem 10.000 Mann starkem Herr des sunnitischen Umayyaden-Kalifen Yazid hilflos gegenüber. Zahlreiche Unterstützer Hussains sollen ihn auf Grund der Übermacht im Stich gelassen haben und so die regelrechte Hinrichtung der Männer in Kauf genommen haben. Diesem Martyrium gedenken die Shiiten (ebenso wie die in Deutschland auf Grund eines Tatorts zu Berühmtheit gelangten Aleviten) während Ashura mit Trauerprozessionen, Erzählungen, Selbstgeißelungen und auch der Nachstellung des Dramas.

Und so ziehen schwarzgekleidete Männer durch die Straßen, schlagen sich mit Metallgeißeln auf die Rücken und erzeugen Trommler und Sänger eine Stimmung des Mitleids und der Schuld. Wie einen Mauseschwanz ziehen sie Frauen in Tschadoren hinter sich her. Sie drücken ihre Trauer, wie auch die Schaulustigen in den Straßen, dadurch aus, dass sie sich im Rhythmus des Zuges immer wieder auf die Brust schlagen. Es fühlt sich an, als würden Fenster, Türen, Häuser ja sogar der Gehsteig wehklagen. Von allen Seiten weht der Wind der Trauer durch die Gassen, entlang der grünen Fahnen zu Gunsten Hosseins. Und auf einmal stoppt der Trauerumzug und auch die Stimmung ändert sich merklich. Nun sehe es auch ich. Hellrote, klebrige Materie verbindet wie eine Brücke beide Seiten der engen Gasse. Das Schaf, das noch vorhin allein und mit einem Blick, als kenne es sein Schicksal, am Baum angebunden war, wurde geschlachtet. Ist echtes Blut wirklich so hell? Es war mir nie bewusst, ich hatte auch noch nie eine derart große Menge gesehen. Wie in Sin City hebt sich die Flüssigkeit von der dunklen Straße ab und lässt meinen Blick nicht los. Nun werden auch noch meine Ohren in das Schauspiel miteinbezogen. Die Prozession hat sich wieder in Gang gesetzt und gefälschte Nikes, Adidas und Pumas überqueren den roten Teppich mit einem schmatzenden Geräusch.

Für die Anwesenden scheint das alles normal zu sein, auch die anschließende Häutung des Opfertiers zieht zumeist nur unsere Aufmerksamkeit auf sich. Der Metzger bläst Luft zwischen Haut und Fleisch, so dass sich beides besser voneinander ablösen lässt. Ganz pragmatisch wird abwechselnd auch die Fahrrad-Luftpumpe zur Hand genommen. Der als erstes abgetrennte Kopf ist, da besondere Delikatesse, bereits fortgeschafft worden. Und so liegt nun vor mir ein Schaf auf dem Rücken, seinen Hals derart entblößt, dass sich mir die volle Innenwelt darbietet; über ihm der borstige, ranzige Metzger, als würde er Wiederbelebungsversuche an anderen Stelle unternehmen. Je weiter die Obduktion voranschreitet, desto mehr Dinge entdeckt man, die man noch nie zuvor gesehen hat. Wie offene Hoden, um deren Verkostung sich später die Männer noch streiten werden... In diesem Moment wird mir deutlich, wie sehr ich mich im Orient befinde. Weit weg vom deutschen Gesundheitsamt und deutscher Pikiertheit...

7. Januar

Auf zum Bazar. Denn dort wird Ashura auf Champions-League-Niveau betrauert. Hunderte Menschen bestaunen von Häuserdächern, Bäumen, Telefonzellen oder der Straße die Nachstellung des Kampfes zwischen Hossein und dem Herr Yazids. Reiter, Soldaten und Fahnen- und Fackelträger treten auf und auch wenn fast keiner der Zuschauer etwas sieht, wartet jeder auf den Höhepunkt des Dramas. Denn am Ende wird das riesige Zelt, auf dem die rote Fahne des Gegners thront, in geringer Entfernung vom Publikum entzündet. Mit Jubelschreien siegt so am Ende doch noch Hossain, wenn auch nur symbolisch...

Anmerkung:
Hat Ashura die iranischen Männer verändert? Oder ist es wie bereits zuvor in meinen Überlegungen bereits angesprochen das neue Jahr? Vielleicht hat sich auch die elektrische Polung der Welt geändert, zu unseren Gunsten? Denn der 30-minütige Weg von der Metro nach Hause gestaltet sich als Spießrutenlauf. In 80 % der uns passierenden Autos sitzen Männer und all diese bekunden ihr Interesse an uns. Es scheint, als hätte sich die Welt verändert. Oder hat Herr A eine Proklamation bezüglich der Subventionierung unserer Heirat ausgesprochen, von der wir nichts wissen? Es sind die letzten Meter und wir wägen uns bereits in Sicherheit. Doch zu früh gefreut. Wie ein lauernder Hai schwimmt der weiße Wagen neben uns her. Die zwei Männer, beide geschätzte Mitte 40, nehmen Kontakt zu uns auf und lassen sich auch nicht abwimmeln, als wir nicht reagieren. O.K. nun kommt die Oberlix-Keule. „Sorry, wir sind beide verheiratet mit Iranern.“ Was normalerweise immer wirkt, scheint diese Bluthunde nicht zu interessieren. „Kein Problem. Ich auch.“ Wild, wild East.

10. Januar

Die letzte Uni-Woche hat bekommen. Und langsam kommt Endstimmung auf. Ich bin derzeit aber mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Mein Bauch hat irgendein iranisches Essen oder eine eigenwillige Kaffee-Zusammenstellung nicht so gut verkraftet, weshalb ich mir eine temporäre Brot-Diät verordnet habe. Und so stehe ich nun neben einer Bäckerei und verkoste in der Kälte Knäckebrot auf dem Heck eines Autos. Anoil hatte mich von der Uni abgeholt, weil wir uns eine Ausstellung von Öl-Gemälden im Norden Teherans ansehen wollen. Der iranische Bansky, Dariush Gharahzad, malt Ausschnitte von Häuserwänden mit all ihren Werbeplakaten, Verboten und Widmungen nach. Dadurch, dass er die Realität zeigt, jedoch natürlich selektiert, bringt er das Leben der Stadtbevölkerung besonders der jungen, zum Ausdruck. Mal sieht man ein Graffiti von Gogoosh, einer der großen iranischen Sängerinnen, mal marschiert ein junges, alternatives Mädchen entlang des Bildvordergrunds. Das alles auf Flächen zwischen 3 und 10 Quadratmetern. Wir entscheiden uns für ein Bild in beige-grauen Ton für 2500 Dollar. Ja, niemand hat gesagt, dass die Finanzkrise auch den iranischen Kunstmarkt betrifft.

13. Januar

Abendessen in Darband; saukalt aber dafür auf Takhts und mit anschließender Wasserpfeife. Wie ich es liebe. Mit erfrorenen Füßen stapfen wir den Berg hinab gen Parkplatz. Doch etwas lässt uns kurz innehalten. Unter den Klauen eines riesigen verschneiten Baumes steht ein Herr hinter einem Vogelkäfig. Hier kann man in die Zukunft sehen. Der Mann nimmt einen der kleinen Piepmatze aus seinem Häuschen und hält ihn über die Reihe von Hafez-Gedichten. Nach kurzer Zeit pickt der Vogel eines heraus, nach welchem Prinzip ist unklar, aber vielleicht ist es ja wirklich göttliche Fügung. Für knapp 50 Cent erhalten wir in poetischer Form einen Blick in das, was uns bevorsteht, wen wir treffen, wer wir sind und was uns hilft. Sollte man beim Lesen der Zeilen, nicht verstehen, was Hafez einem sagen will, folgt noch eine Erklärung, die den Horoskopteilen von Frauenmagazinen ähnelt. Ich habe bisher Glück gehabt. Mein erstes Gedicht, das ich bereits vor Wochen gezogen habe, sagte mir voraus, ich solle weiterhin Stärke beweisen und kämpfen. Das heutige ist - wie Anoil und Mohammad mir erklären - einfach nur: gut.

14. Januar

Wir haben es geschafft! Die Pruefung ist hinter uns und mit grosser Wahrscheinlichkeit aben die meisten von uns bestanden. Zur Feier des Tages (die wenigsten wird man wiedersehen) faehrt die Haelfte der Klasse ins Restaurant von Bahar, einer Klassenkameradin, die nach der Eroeffnung des Restaurants das Persisch-Lernen aufgab. Haelfte der Klasse bedeutet 7 Personen und genau diese sieben Zwerge quetschen sich in Ye's Auto, einen ueblichen Peugot 307. Gott sei Dank fahren wir mit diplomatischen Kennzeichen und besitzen so eine gewisse Immunitaet gegenueber den hiesigen Ordnungshuetern. Wobei, mehr als 5 Leute in einem Auto ist im Iran eigentlich Alltag.
Es ist Teheraner Berufsverkehr, weshalb wir fuer den Weg ueber 1,5 Stunden brauchen. Doch die Fahrt an sich ist bereits ein Erlebnis. Der permanente Platzmangel, chinesische Popmusik und ein Ibrahim, dessen Atem immer nach Knoblauch riecht und uns so die 3 Kubikmeter Frischluft, die uns allen bleiben, verknoblaucht. Es ist zu skurril. Darueber hinaus ist Ye ein unglaublich schlechter Autofahrer, weshalb wir nur haarscharf diverse Unfaelle vermeiden koennen und an einem der groessten Plaetze in Teheran, Hafte-Tir, der Zahlung von Blutgeld nur kanpp entgehen. Umso erleichterter geniessen wir denn auch in der Kueche des Restaurants angekommen, ein Menu, das sich aller moeglichen Kulturen bedient. Es beginnt mit einer chinesischen Suppe, fuehrt hin zu Fruehlingsrollen und Salat, wird durch Kebab und chinesischen Kebab unterbrochen, findet seinen Hoehepunkt in Chinanudeln suess-sauer und klingt aus durch Fertig-Vanillepudding nach Omas Art. Sollte sich unser chinesisches Diplomatenauto nun zu iranischen Schrottkisten hingezogen fuehlen, kann uns nichts mehr passieren. Wir koennen gefuehlte 5 Tage ohne Essen auf Teherans Strassen ueberleben...

15. Januar

Eigentlich wollten wir uns einen Vortrag ueber die persische Sprache und deren Lehrmethoden an der Teheraner Universitaet anhoeren. Doch als wir dort gegen 11 Uhr ankommen, machen sich die Teilnehmer auf in die Mittagspause. Also gehts hinueber ins Contemporary Art Museum, einem der Lieblingsplaetze von Anoil. Die Ausstellung, die uns erwartet, scheint wie fuer uns gemacht. Werke und Lebensgeschichte von Kaethe Kollwitz und Ernst Barlach werden gezeigt. Es ist nicht das erste Mal, dass es in einem Museum Beschreibungen auf Deutsch gibt; aber es ist das erste Mal, dass der Text fehlerfrei und in einer derartigen Qualitaet geliefert wird. Und so wandeln wir 3 Stunden durch die Gaenge, bleiben stehen und blicken mit gekreuzten Blicken auf unsere jeweilige Muttersprache.

17. Januar

Mein Visum laeuft am 25. Januar aus, ich moechte aber noch bis zum 11. Februar verlaengern. Im Verlauf des Kurses hatte ich im Dekhoda-Institut bereits einmal nachgefragt, ob es moeglich sei, nochmal eine Verlaengerung zu bekommen. Normalerweise wird das ueber das dortige Buero abgewickelt. Der netter Herr, der seine Launen wie andere Leute Unterhosen wechselt, konfrontierte mich bereits sofort mit der Unmoeglichkeit meines Vorhabens. Die Begruendung war, mein Kurs sei ja beendet. An diesem Samstag mache ich mich deshalb zur Visa-Stelle nahe dem Vali-Asr. Square auf. Nachdem ich aber auf dem Weg noch Passfotos machen musste, kommen Anoil und ich erst gegen 12 Uhr dort an. Puenktlich zum Mittagessen und Gebet. Heute geht nichts mehr, wir sollen morgen frueh wieder vorbeikommen. Nun gut, wir spazieren entlang der Vali-Asr und ploetzlich hoeren wir Rufe von hinten. Es ist die Polizei, genauer gesagt sind es eine Tschador-Polizistin und ein Polizist, die fuer die Sittlichkeit der Kleidung zustaendig sind. Ich spreche nicht und gebe mich ganz als Touristin. Anoil beantwortet die ueblichen Fragen: " 1. Nein, wir sind nicht verheiratet. 2. Ja, sie ist Auslaenderin. 3. Ja, sie hat ihren Pass dabei. 4. Ja, ich werde ihr sagen, dass ihr Manteau zu kurz ist. " Doch diese Polizistin ist recht nett und wirft nichtmal einen Blick in meinen Reisepass. Weiter gehts. Doch bereits nach 5 Minuten sehe ich ein blaues Fahrzeug der Kleidungssheriffe anhalten. Sie haben uns erspaeht und mit einem "Da sind sie bereits wieder." weise ich Anoil auf die Prozedur hin, die uns nun wieder bevorstehen wird. Gleiches Spiel, gleiches Glueck, nur ist die Polizistin im Tschador diesmal um einiges unfreundlicher und bemerkt, dass, wenn ich mich hier aufhalte, ich mich doch den hiesigen Regeln anpassen muesse. Doch mein Pass fungiert wieder mal als Freifahrtschein.

P.S. Am Nachmittag treffe ich mich wieder mit Mahtab und sie bestaerkt mich darin, etwas kuerzere Mantaeus zu tragen. "Wir iranischen Maedchen koennen das nicht, also muesst ihr Auslaenderinnen an unserer Stelle kurze Manteaus tragen." Die Rebellion der iranischen Frauen wird also durch uns an vorderster Front, den Strassen, ausgefuehrt.

18. Januar

Und wieder heisst es frueh aufstehen und ab zur Visa-Stelle.  Artig stelle ich mich an, aber frage nach einer Stunde Wartezeit dann doch einmal, ob es nicht eine extra Schlange fuer Frauen gibt. Daraufhin spricht mich ein Mann an, der Deutsch spricht und auch gleich einmal den hiesigen Polizeibeamten fragt, ob ich mein Visum hier verlaengern kann. Ein kurzer Blick genuegt und er teilt mir mit, ich muesse ins Hauptquartier in der Shariati. Das haette man uns eigentlich auch bereits frueher sagen koennen, aber nun gut. Vor der Tuer treffe ich mich mit Anoil und erzaehle ihm die Neuigkeiten. Der deutschsprechende Mann stoesst nach einer Weile zu uns und beginnt mir sein halbes Leben offenzulegen. Er Syrer und seine Frau Iranerin haben 20 Jahre in Deutschland gelebt, daher hatte er den deutschen Pass. Nun leben sie in Teheran. Nachdem ihm die Deutsche Botschaft hier nahegelegt hatte, sich um den syrischen Pass zu bemuehen, wurde ihm nun der deutsche genommen und im Gegenzug ein Dokument ausgehaendigt, dass sich Reiseausweis fuer Staatenlose schimpft. Mit Traenen in den Augen erklaert er, dass er, Christ, um durch seine Frau den iranischen Pass zu bekommen zum Islam konvertieren muesse. Das kann er mit sich selbst aber nicht vereinbaren. Und so fuehrt die bedrueckte Stimmung, die sich am Rande der groessten Strasse Teherans, inmitten von Menschentrubel und Laerm, entwickelt hat, zun einer Verabscheidung, wie ich sie selten erlebt habe. "Ich wuensche Ihnen noch viel Glueck hier und ihrem Leben."

Ab ins Shariati-Polizei-Hauptgebaeude. Ohne Anoil haette ich wirklich keinen Plan gehabt, wie und wohin ich zu fahren habe. Dort angekommen muessen wir uns erstmal trennen, denn hierb gibt es getrennte Eingaenge fuer Frauen uns Maenner. Ich gebe Handy und Foto ab und verschwinde hinter dem Vorhang. Dort eroeffnet sich mir eine andere Welt. Die Begruessung faellt mit einem "Lack, pak kon." alles andere als freundlich aus. Ich kann es nicht glauben, ich muss mit dem bereitsgestellten Nagellackentferner und der Watte meine Naegel sauber machen. Eine weitere Frau betritt den Raum und wird von der netten Tschadorfrau aufgefordert, Mund und Augen abzuschminken. Hier ist man auf alles vorbereitet. Nach der ersten Runde sehen meine Naegel alles andere als vollstaendig sauber aus, weshalb ich weitere Watte verlange. Mit einem "nein, das ist ok so" wehrt die Damen es ab. Doch da hat sie sich die Falsche ausgesucht. Mit einem "Nein, ist es nicht. Bitte noch ein weiteres." und einem festen Blick erringe ich mir die Herrschaft ueber meine Fingernaegel und ein Stueck Respekt zurueck. Das abwertende Zse Zse und die fuenfmalige Aufforderung, dass ich mein Kopftuch korrekt binden solle, macht mir eh deutlich, was die Angestellte der Teheraner Polizei von mir als Symbol des Westens haelt.

Das Ergebnis unseres Besuchs: 1. Zur Verlaengerung meines Visums brauche ich ein Empfehlungsschreiben vom Dekhoda-Institut oder von der deutschen Botschaft. 2. Anoil schaemt sich vor mir fuer den Staat, die Leute und alles, was am Eingang passiert ist. 3. Im Kampf ging meine Nagellack verloren.

19. Januar

Gestern haben wir beim Dekhoda-Institut mal wieder eine Abfuhr erhalten. Selbst nachdem Anoil dem netten Herrn erklaert, die Polizisten haetten selbst gesagt, auch wenn ich keinen Kurs mehr besuche, waere ein Brief vom Institut ok, hat er nicht nachgegeben. Deshalb stehen wir nun gegen 10 Uhr vor der deutschen Botschaft und hoffen hier auf Hilfe. Doch die Vertreter unseres Landes scheinen darauf gar nicht erpicht zu sein. Bereits nach 3 Saetzen schneidet mit die Mitarbeiterin am Schalter das Wort ab und erklaert sie koenne mir nicht helfen. Ich sei nicht die Erste, die mit diesem Anliegen hier auftrete und auch nicht die Letzte. Doch sie wuerden derartige Briefe nicht ausstellen. Ich muesse ausreisen, es gebe keinen anderen Weg. Danke fuer meine Staatsbuergerschaft.

Kurzzeitig hatte ich bereits gedacht, ich werde das Land nun wirklich bereits in ein paar Tagen verlassen. Doch Anoil hatte mir und sich selbst versprochen, alles zu tun, um das zu verhindern. Und so sitzen wir nun im Buero des Assyrischen Repraesentanten im iranischen Parlament, Yonathan Betkolia. Nachdem Anoil ihm mein Problem geschildert hat, greift der Familienvater sofort zum Hoerer, ruft den Vize-Praesidenten der Teheraner Polizei an und laesst sich von ihm versichern, dass eine Verlaengerung meines Visums kein Problem mehr darstellen sollte. Waehrend ich mir seine beeindruckende Bibliothek ansehen darf, stellt mir Herr Betkolia einen Brief aus, in dem er um die Verlaengerung bittet. Anoil ist nun sehr zuversichtlich, ich kann seine Freude noch nicht so ganz teilen. Das ist der Iran, ich glaube nur, was ich mit eigenen Augen sehe.

25. Januar

Heute heisst es Pass abholen und zur Feier des Tages habe ich meinen laengsten Manteau angezogen, dafuer aber Stiefel ueber die Hose (ist sehr verbreitet, aber eigentlich nicht erlaubt). Ich fuehle mich wie in "Und taeglich gruesst das Murmeltier" versetzt, nur das der Hauptspielort das Polizeihauptquartier ist. An Ueberraschungen fehlt es auch nicht. Heute bleibt mir der Zutritt ganz verwertet. Doch anstelle sich ueber die Stiefel zu moquieren, betrifft es nun meinen Manteau. Obwohl doch die, die ich die Male zuvor getragen hatte, um einiges kuerzer ausfielen. Mir ist es nur recht, denn Anoil sorgt dafuer, dass der Visa-Angestellte sich dazu bereit erklaert mir den Pass vor dem Gebaeude auszuhaendigen. Einen Tschador wollten mir beide nicht zumuten. Und nun ist es Wirklichkeit. In meinem Pass prangt ein Visumsstempel mit dem Datum 11.2.09 !!!

Wir spazieren noch umher, nur weg von dem Ort, der unsere letzte Woche erfuellte. In einem kleinen Park treffen wir auf einen alten Herrn. Er schiebt einen Einkaufswagen vor sich her und als er und erblickt, fragt er mich, ob ich Englisch spreche. Er gratuliert mir zu meinem Land, meinem Deutschsein und unserer Kultur. Er ein ehemaliger General mit diversen Auszeichnungen sei nach der revolution nach Amerika gegangen, zum Studieren. Aber man hat eben seine Wurzeln und die befinden sich hier. In einem Land mit 5000-jaehriger Kultur... Und nun das...

P.S. Meine heutige Polizeistopp-Bilanz:
1. Mit Anoil vor dem Hauptgebaeude der Kleidungspolizei. Auf einmal rennen zwei Kraehen hinter uns her und meckern ueber meine Stiefel ueber der Hose. Zeige meinen Ausweis und alles ist o.k. Die beiden waren aber auch sehr freundlich.
2. Abends laufe ich allein vom Meidan Vanak zum Mirdamad Boulevard. Es passiert mich ein Bus der Polizei und die beiden Maenner im Auto winken mich zu sich heran. Da stuermen auch bereits zwei Tschadorfrauen aus dem Auto auf mich zu. Ich tue so als verstuende ich kein Persisch und eine der Beiden wechselt nun ins Englisch. Sie deutet auf meinen Manteau, der hochgerutscht ist und meint meine Kleidung sei nicht angemessen. Als ich in herunterziehe, ist alles in Ordnung. Mit einem netten "Welcome to Iran" flattern sie wieder zurueck in ihren Arbeitsort den gruenen Bus; zurueck in die Strassen Teherans, mit nur einem Ziel: der Entsorgung der Unsittlichkeit.

27. Januar

 

Es ist sonnig, so richtig zum Genießen. Wir schlendert die Shariati vom Jerusalem-Platz gen Süden und fast könnte man meinen alle Sorgen seien vergessen. Auf halber Höhe hat gerade eine Smoothie-Bar frisch eröffnet. Vor gesundem grünen Hintergrund strahlt uns die Verkäuferin an und schafft es uns eine der 50 Kreationen anzudrehen. Bei Fruchtshakes werde ich einfach schwach… Es wird interessant sein, ob sich der Gesundheitstrend auch im Iran so rasant entfaltet. Eigentlich befindet man sich hier ja in einem Kosmos, indem einen alle halbe Meter Zucker, Fett und Faulheit um die Ohren wirbeln. Fitnessbewusstsein wäre somit eher ein Staatsfeind, vergleichbar mit Israel. Naja, wir sind ja der Westen und ziehen so voller Vitamine weiter hinab Richtung zu Hause. Kurz bei der Großbäckerei reingeschaut und was erwartet uns hier neben den üblichen Weißbroten? Ciabatta in den Geschmacksrichtungen Knoblauch, Oliven/Zwiebeln und diversen anderen. Von der Isolation vom Okzident lassen die Iraner sich also nun wirklich nicht auch noch ihre Mägen beherrschen.   

31. Januar

 

6.01 Uhr… Ich höre ein Geräusch, monoton wiederkommend. So langsam wache ich auf. Und da erkenne ich es wieder. Ein Blick zur Decke und der braune Fleck gibt mir Recht. Der Schnee taut und das Wasser bahnt sich seinen Weg durch die Decke in meinen Raum. So gut hatte der Vermieter also beim letzten Mal das Dach abgedichtet. Fünf Töpfe decken den Aufprallraum ab, doch durch das hohle, metallische Plopp ist an Schlafen nicht mehr zu denken. Also liege ich an diesem Morgen übermüdet in meinem Bett und schaue aus kleinen Augen "Die Höhle des gelben Hundes".




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